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Klimaneutrale Region Oberland Ost

Mit diesem transdisziplinären Projekt, welches lokale Initiativen für eine klimaneutrale Region erarbeiten und umsetzen will, zeigen wir auf, wie Beteiligte die Rolle der Wissenschaft wahrnehmen. Diese Veranschaulichung hilft uns, darüber nachzudenken, welche Rollen Wissenschaftler:innen in Nachhaltigkeitstransformationen einnehmen können und welche Beiträge der Wissenschaft für andere Anspruchsgruppen hilfreich sind.

Klimaneutrale Region Oberland-Ost
Klimaneutrale Region Oberland-OstImage : CDE

Von der Vision zum Handeln

Projektziele

Tourismus- und Bergregionen sind vom Klimawandel stark betroffen und stehen vor grossen und dringenden Herausforderungen. Die Region Berner Oberland Ost (28 Gemeinden) hat das Ziel einer klimaneutralen Region in ihrer Entwicklungsstrategie verankert. Da sie als Bergregion eine andere Ausganglage hat als urbane Gebiete – zum Beispiel punkto Mobilität und Ausrichtung der Wirtschaft oder des Tourismus – müssen lokal angepasste Lösungen zur Treibhausgasreduktion gefunden werden. Das Projekt «Klimaneutrale Region Oberland-Ost» möchte auf die gewünschte Transformation hinarbeiten, indem es die relevanten Akteur:innen zusammenbringt, um lokal angepasste (Energie-)Innovationen im Berner Oberland anzustossen. Gleichzeitig soll dieser Prozess dokumentiert und begleitet werden, um daraus Schlüsse zu ziehen für ähnliche Initiativen in anderen Regionen.

Transdisziplinäre Vorgehensweise

In den Jahren 2021 bis 2022 fand in der Region ein partizipativer Entwicklungsprozess statt. An drei Treffen analysierten rund 40 Akteur:innen aus der Region dabei gemeinsam Probleme und Situation, entwickelten Visionen einer klimaneutralen Region und skizzierten erste Entwicklungsschritte zur Umsetzung. Die Vertreter:innen brachten die Perspektiven aus den Gemeinden, den Bereichen Tourismus, Mobilität, Gebäude und Wohnen, Energieproduktion und -versorgung, Privatsektor, Land- und Forstwirtschaft und aus der Zivilgesellschaft ein.

Was wurde bisher erreicht, was fehlt noch?

Für die oben erwähnte Situations-und Problemanalyse, die Ausarbeitung einer Vision und der Entwicklung erster Projektideen wurden regionale Anspruchsgruppen zusammengebracht und vernetzt. Es hat sich klar gezeigt, dass diese Vernetzung fundamental ist. Es ist ein grosses Bedürfnis der beteiligten Anspruchsgruppen, diese zu intensivieren und in den einzelnen Bereichen Koordinationsstellen zu schaffen, um in der nächsten Phase «ins Handeln zu kommen».

Als wichtige Errungenschaft des bisherigen Prozesses wird von allen Seiten die Schaffung der Stelle einer Klima-Coachin betrachtet. Die Klima-Coachin stammt aus der Region, hat Agronomie studiert und ist als Landwirtin tätig. Ihre Aufgabe besteht darin, lokale Change-Maker bei der Umsetzung ihrer Klimaprojekte zu beraten und zu unterstützen. Es gibt viele Ideen für klimapositive Projekte in der Region. So möchte man regionalen Strom produzieren, um im Winter Elektro-Pistenfahrzeuge und im Sommer ein Elektro-Shuttleboot für die bessere Erschliessung der Gemeinden rund um Brienz zu betreiben.

Bei gewissen Ideen fehlt noch wissenschaftliches Grundlagenwissen, so z.B. Berechnungen zur Reduktion von Treibhausgasen. Andere lokale Change-Maker brauchen Inputs, wie man Ideen weiterentwickeln oder finanzieren könnte, z.B. eine dezentrale Biogaserzeugung durch Landwirte. Bei diesen Anliegen hilft die Klima-Coachin. Sie nimmt Ideen auf und bespricht diese mit einem Expert:innen-Panel, in welchem u.a. Wissenschaftler:innen des Projektteams vertreten sind. Das Panel berät das Projektteam bezüglich Weiterentwicklung der Idee vermittelt Erkenntnisse der Wissenschaft. Wenn Change-Maker eine wissenschaftliche Begleitung suchen, vernetzt das Panel sie mit entsprechenden Akteur:innen. Die Expert:innen des Panels haben ausserdem eine Übersicht über Förderinstitutionen und können Change-Maker in der Suche nach Finanzierungsmöglichkeiten unterstützen.

Die Beiträge der Wissenschaft

Das Projekt ist ein Zusammenspiel von verschiedenen Akteur:innen, die alle ihre Expertise eingebracht haben. Die Vertreter:innen der Wissenschaft haben neben der Co-Organisation und Co-Moderation des Dialoges mit den Anspruchsgruppen wissenschaftliche Analysen und Befragungen beigetragen:

  • Sie befragten die Bewohner:innen der Region zu ihrer Bereitschaft für klimaneutrales Verhalten sowie ihren Ansichten zu den Visionen, die in den Dialogen mit Anspruchsgruppen entwickelt wurden.

  • Sie führten Hintergrundrecherchen zu möglichen Hebelwirkungen des Prozesses durch. Wichtig waren dabei auch das Zusammentragen und Präsentieren von gelungenen Initiativen in der Region und von anderen Regionen, aus denen die beteiligten Anspruchsgruppen wichtige Erkenntnisse und Inspiration ziehen konnten.

  • Panel der Expert:innen, das in erster Linie aus Vertreter:innen der Wissenschaft und der Verwaltung besteht, nimmt nun eine wichtige Rolle in der Umsetzung der Ideen ein, indem es berät, Wissen zur Verfügung stellt, Akteur:innen auf der inhaltlichen Ebene vernetzt und bei Finanzierungsgesuchen unterstützt.

Wie beurteilen Change-Maker die Beiträge der Wissenschaft?

Stefan Schweizer von der Regionalkonferenz Oberland-Ost sagte an einer Veranstaltung im Juni 2023, dass es ohne die Wissenschaft nicht gegangen wäre. Speziell hervorgehoben hat er den Mehrwert der Wissenschaft für den Einstieg und die Begleitung des Projektes. Die Wissenschaft habe geholfen, den ergebnisoffenen Prozess zu steuern, ohne die lokalen Akteur:innen zu sehr zu lenken.

Thomas Rosenberg vom Amt für Umwelt und Energie des Kantons Bern sieht den zentralen Beitrag der Wissenschaft im methodischen Aufgleisen und Durchführen des Dialoges mit den Anspruchsgruppen. Die Wissenschaftler:innen hätten über Ressourcen und Know-how verfügt, welche die Qualität des Dialogs erhöhten. In seinen Augen sehr bedeutend war aber auch die Reputation der Universität, welche dem Projektteam Glaubwürdigkeit, Ernsthaftigkeit und mehr Unabhängigkeit verlieh als das bei einem von den Behörden allein initiierten Projekt der Fall gewesen wäre. Dies sei sehr wichtig in einer Region, wo sich gewisse Akteur:innen von den Behörden vernachlässigt fühlten und gegenüber diesen entsprechend kritisch eingestellt seien. Ausserdem habe die Zusammenarbeit mit der Universität möglicherweise auch eine Rolle gespielt bei der Akquise von Bundesgeldern.

Was bedeuten diese Erkenntnisse für die Wissenschaft?

Das Projekt zeigt, dass verschiedene Anspruchsgruppen und Change-Maker unterschiedliche Inputs von der Wissenschaft brauchen, um Veränderungen initiieren oder vorantreiben zu können. So haben die Wissenschaftler:innen verschiedene Aufgaben übernommen. Es ist deshalb wichtig, dass ihnen dabei klar ist, in welcher Rolle sie mit den Akteur:innen interagieren.

In der Anfangsphase des Projektes haben Wissenschaftler:innen als Wissensvermittler:innen Grundlagenwissen vermittelt und aufbereitet (Pohl et al. 2010: reflective scientist). Mit der Umfrage und den Interviews produzierten sie neues, kontextspezifisches Wissen (Pohl et al. 2010: reflective scientist; Pielke 2007: science arbiter; Oberlack et al. 2019: producer of scientific knowledge / technical expert, professional expert). Daneben trugen sie als Moderator:innen dazu bei, den partizipativen Prozess inklusive Problem- und Situationsanalyse sowie die Erarbeitung der Vision methodisch zu organisieren, zu moderieren und zu dokumentieren (Pohl et al. 2010: intermediary, facilitator; Oberlack et al. 2019: facilitator, mediator, professional expert, technical expert).

In der Umsetzungsphase werden die Vertreter:innen der Wissenschaft durch Einsitz im Expert:innen-Panel weiterhin zum Transformationsprozess beitragen, wobei sie über die Rolle der Wissensvermittler:innen hinausgehen: Sie liefern benötigtes Grundlagenwissen (Pohl et al. 2010: reflective scientist), geben aus wissenschaftlicher Sicht konkrete Inputs zur Weiterentwicklung lokaler Klimaprojekte (Oberlack et al. 2019: advisor, based on professional expertise), aber sie vernetzen auch lokale Change-Maker mit Akteur:innen, die über Fachwissen verfügen oder Kontakte zu Förderinstitutionen haben (Pohl et al. 2010: intermediary). Die Wissenschaftler:innen schaffen mit der Dokumentation und Evaluation des Prozesses auch Transformationswissen, das potenziell für andere Regionen nützlich sein kann (Pohl et al. 2010: facilitator; Oberlack et al. 2019: facilitator, mediator, professional expert, technical expert).

Dies ist ein vorläufiges Fazit und hat keinen Anspruch auf Vollständigkeit. Im Projekt REDIRO geht es genau darum, verschiedene Rollen der Wissenschaft weiter zu reflektieren und diskutieren und so das Spektrum an Rollen auszuloten.

Hin zu einer klimaneutralen Gesellschaft

Der Klimawandel hat weitreichende Konsequenzen für Umwelt und Gesellschaft. Das Projekt möchte lokal erarbeitete und breit abgestützte Veränderungsprozesse beim Wohnen, Verkehr und in der Wirtschaft initiieren, welche zu einer klimaneutralen Gesellschaft beitragen.

Was bedeutet Klimaneutralität?

Klimaneutralität bedeutet, dass der Ausstoss von Treibhausgasen in der Region so weit als möglich gesenkt und ein kleiner verbleibender Teil von Emissionen wieder zurückgewonnen oder ausgeglichen wird, so dass unter dem Strich eine Netto-Null Bilanz an Treibhausgasemissionen resultiert.

Unter Change-Maker verstehen wir Akteur:innen, die Transformationsprozesse initiieren, antreiben oder fördernd begleiten.


Beispiele für Change-Maker sind Gemeindebehörden und andere staatliche Institutionen, Vertretende der Zivilgesellschaft wie beispielsweise Sozialunternehmungen oder Quartiervereine, wirtschaftliche Pionier:innen oder andere transformativ wirkende wirtschaftliche Akteur:innen, etc.

Moderiert und organisiert wird der Prozess von einem Projektteam bestehend aus Vertreter:innen des Centre for Development and Environment (CDE) der Universität Bern, von der Regionalkonferenz Oberland-Ost (RKOO), der Wyss Academy for Nature sowie vom Amt für Umwelt und Energie des Kantons Bern. Finanziell unterstützt wurde er von der Wyss Academy, dem Kanton Bern und dem Bundesamt für Energie.

Centre for Development and Environment (CDE), Lokale Energie-Transitions-Experimente für eine klimaneutrale Gesellschaft:


Jungfrau Zeitung, Präparieren bald E-Bullys die Pisten im Oberland?, 17. November 2022:


Rabe Info, Klimaneutrale Gesellschaft im Oberland, 27. Januar 2021:


Projektwebseite «dein Klima"

Felix Poelsma
Image : CDE

Felix Poelsma, Doktorand, Centre for Development and Environment (CDE)
Felix Poelsma war an der Organisation und Durchführung des Stakholder Dialoges im Projekt «Klimaneutrale Region Berner Oberland Ost» beteiligt. Er hat Interviews mit Change-Maker aus Politik, Tourismus und Wirtschaftsverbänden im Berner Oberland geführt und sie zu Ihren Wahrnehmungen von und Erwartungen an den Transformationsprozess befragt. Er befasst sich in diesem Zusammenhang auch mit der Frage, in welcher Rolle Wissenschaftler:innen lokale Change-Maker / Anspruchsgruppen am besten ermächtigen können, damit diese den gewünschten Wandel vorantreiben können. Die Resultate seiner Untersuchungen werden voraussichtlich im Jahr 2024 veröffentlicht.

verfasst von Franziska Marfurt, in Zusammenarbeit mit Stephanie Moser (CDE), Felix Poelsma (CDE) und Thomas Rosenberg (AUE Kanton Bern)

September 2023

Pohl, C. et al. (2010). Researchers' roles in knowledge co-production: Experience from sustainability research in Kenya, Switzerland, Bolivia and Nepal. Science and Public Policy, 37(4)


Pielke, Jr, R. (2007). The Honest Broker: Making Sense of Science in Policy and Politics. Cambridge: Cambridge University Press


Oberlack, C. et al. (2019). Theories of change in sustainability science: Understanding how change happens. GAIA – Ecological Perspectives for Science and Society, 28 (2)